Ein undankbarer Kunde, nachts bei Regen und Sturm

Man verlangt ja keine Umarmungen und auch keine Dankesreden, aber manche Kunden sind sich ganz und gar nicht bewusst, welche Leistung ein Handwerker erbringt.

Die Digitaluhr zeigt 1:41 und draussen tobt ein kleiner Orkan mit Starkregen bei 3 Grad. Miesestes Novemberwetter. Der Schlossermeister liegt im Bett und tut was man um dieses Zeit zu tun pflegt, er schläft, oder schläft ein. Das Telefon läutet penetrant.
„Wie lange dauert es, bis Sie da sind?“
Wie Was Wo? Der Schlosser erschrickt. Kein Guten Abend, oder Guten Morgen. Die Frage war sehr abrupt. Gut, manche Kunden vergessen vor lauter Aufregung so gut wie alles.
„Ja wohin?“
„Hab ich vergessen zu sagen, in den Zehnten!“
„Dreissig Minuten!“
„Ist gut, kommens!“
„Ich muss noch dazu sagen, diese Dienstleistung kostet um diese Zeit 115 Euro und muss sofort bezahlt werden! Können Sie das?“
„Na klar, kann ich das, kommens!“
Raus aus den warmen Bett, raus aus dem Nest. Es ist ein schwerer Job. Der Sturm ist extrem, der Schlosser wird fast weggeweht, als er das Haus verlässt. Dazu der starke Wolkenbruch, einfach widerlich. Die wenigen Schritte bis zum Auto genügen, um bis auf die Knochen durchgenässt zu werden. Es wird ausnahmsweise das in die Jahre gekommene Privatauto genommen, das Firmenauto parkt einige hundert Meter weit weg, das geht bei diesem Wetter wirklich nicht. Durch Nacht und Nebel kämpft sich der Schlüsseldienst mühsam bei Null Sicht durch die ausgestorbene Stadt voran. Der Kunde wartet bereits im Hausflur.
„Nau endlich, wollte schon eine andere Firma anrufen!“, so die Begrüssung. Wenige Minuten später ist die Tür des Kunden fachgerecht und ohne jegliche Beschädigung geöffnet, eine äusserst massive teure Einbruchschutztüre mit modernsten Sicherheitsschloss. Es gibt nicht viele Leute, die das können, und auch machen.
„Macht 115 Euro!“
„Ich hol nur schnell das Geld.“
Der Kunde verschwindet in die Wohnung und will die Türe schliessen.
„Bitte, die Türe bleibt offen!“ Ja, ja der Schlossermeister hat Erfahrung!
10 lange Minuten später. “Ich habe kein Geld zu Hause, tut mir leid. Lassen Sie mir einen Zahlschein da!“
„Nein! Ich habe Ihnen gesagt, Sie müssen sofort zahlen. Wir fahren zum Bankomat (Geldautomat).“
Der nächste Bankomat ist fünf Minuten entfernt. Der Kunde steigt aus, kramt in seinen Taschen und steigt wieder ein.
„Ich habe die EC-Karte vergessen!“
Wir fahren zurück zur Wohnung, holen die Karte und fahren erneut zum Geldautomat.
„Der Automat ist ausser Betrieb!“, sagt der Kunde.
Wir fahren zu einem anderen.
„Der Automat hat nur mehr dreissig Euro gehabt!“, sagt der Kunde.
Wir fahren zum nächsten.
„Der gibt mir kein Geld, was machen wir?“
„Haben Sie nirgendwo mehr Geld?“
„Ich nicht, aber meine Frau hat noch welches!“
„Und wo ist Ihre Frau?“
„Sie ist in England, aber das Geld ist in Ihrem Schreibtisch in der Wohnung!“
„In dieser Wohnung?“
„Ja!“

Wir fahren wieder zurück, steigen aus und gehen zur Wohnung. Der Kunde will wieder die Tür schliessen.
„Die Tür bleibt offen!“
Zehn lange Minuten später kommt der Kunde zurück mit einem 500 Euro Schein und grinst.
„Ich hoffe, Sie können wechseln.“
„Ja, kann ich“, und habe blitzschnell 385 Euro in der Hand. Widerwillig übergibt mir der Kunde den Schein und filmt den Vorgang mit dem Smartphone.
„Wegen der Beweise“, stammelt er.
Die Rechnung wird mit dicker Brille minutiös auf Richtigkeit geprüft, die Mehrwehrsteuer wird extra nachgerechnet.
„Danke, und auf Wiedersehen!“, sagt der etwas wütende Schlossermeister.
„Na besser nicht!“, kommt als Antwort.

Als Nachsatz legt der Kunde drauf:
„Im Übrigen sind Sie ein richtiger Dreckskerl, und ich bin froh, dass Sie sich kein besseres Auto leisten können.“

WUMM! Jetzt ist die Tür zugeknallt. Der Schlosser fährt bei Sturm und Regen wieder nach Hause. Es ist 4:22 Uhr